Das Frauenkollektiv in Herat
In der Provinz Herat haben die Conflictfood Gründer Gernot und Salem ein Frauenkollektiv besucht, welches die alte, in den Kriegswirren verloren geglaubte Tradition des Safrananbaus wiederbelebt hat. Auf den Feldern, auf denen jahrelang Schlafmohn (Opium), angebaut wurde, kultiviert das Kollektiv heute Safran – das kostbarste Gewürz der Welt!
In einem kleinen Örtchen, 45 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt, haben zu Beginn die Männer des Dorfes Shakiban, eine Shura, einen Rat, gestellt, um die lokale Kultivierung von Safran zu fördern. Fünf Frauen waren Teil dieses Rates, denn sie wollten ein Mitspracherecht in Angelegenheiten, die auch sie betrafen. Und sie hatten grosses Interesse, die soziale Entwicklung ihrer Region aktiv mitzugestalten und um die sozio-ökonomische Situation der Frauen zu verbessern. Nach vielen Sitzungen und Gesprächen mit den Männern, mit dem erklärten Ziel eine autonome Frauen-Shura zu bilden, gelang es den Frauen 2008 tatsächlich sich unabhängig zu machen. Sie formierten sich neu und selbstverwaltet zum ersten Frauenrat! Die Geburtsstunde des Shakiban-Frauenkollektivs und des ersten Safrananbaus durch Frauenhand!
Safran und seine Geschichte
Die Seidenstrasse war einst ein Sehnsuchtsort... Gold, Edelsteine, teure Stoffe allerlei wundersame Güter wurden auf dieser sagenumwobenen Route umgeschlagen. Das Netz aus Handelsrouten erstreckte sich vom fernen Peking bis hin nach Venedig. Das Herzstück dieser Route war das heutige Afghanistan. Karawansereien prosperierten und Reisende erzählten sich an den Lagerfeuern endlose Geschichten – die Märchen und Sagen aus 1001 Nacht. Viele Jahrhunderte war Afghanistan ein Sehnsuchtsort für Künstler und Poeten, magisch zog das Land noch bis in die 1970er zahlreiche Reisende, Aussteiger und Hippies aus aller Welt an. Bis das Blatt sich wendete – durch die sowjetische Invasion wurden dunkle Zeiten eingeläutet, die bis heute andauern.
Wurde der grosse Poet Rumi noch im 13. Jahrhundert in den Bann der Stadt Herat gezogen – nicht umsonst beschrieb er sie als „Perle Khorasans“. Heute erinnern nur noch wenige Gebäude an die ruhmreiche Geschichte. Reichtum und Schönheit wurden der Stadt an der Seidenstrasse zum Verhängnis und machten sie zum umkämpften Terrain von zahlreichen Eroberern.
Und seit Ende der 1970er herrscht in Afghanistan Krieg. Er macht das Land zum ärmsten Asiens und es liegt an letzter Stelle, was den Export betrifft – vom Opium abgesehen. Die Mehrheit der Jugendlichen ist ohne Perspektive.
Das teuerste Gewürz der Welt
Safran, wissenschaftlich Crocus Sativus L., ist das teuerste Gewürze der Welt. Für ein Kilo müssen über 200‘000 Blüten gezupft werden, sie vorsichtig öffnen und die drei Stempelfäden entnommen werden, behutsam und alles von Hand. Im Iran haben Anbau und Ernte eine lange Geschichte: Ungefähr 90% der weltweiten Produktion stammen von dort. Der Nachbar Afghanistan spielt auf dem Weltmarkt eine bislang kleine Rolle. Es wird nicht viel produziert – doch die Qualität ist unvergleichlich und die Region Herat wurde von internationalen Experten mehrfach als bestes Anbaugebiet ausgezeichnet.
Für die Bäuerinnen des Shakiban-Frauenkollektivs steht Qualität an oberster Stelle. Das heisst: ernten bevor die Sonne aufgeht. Die Frauen gehen weit vor Sonnenaufgang auf die Felder, um die noch geschlossenen Krokusblüten zu ernten. Dadurch stellen sie sicher, dass kein Sonnenstrahl die geöffneten Blüten trifft, kein Insekt oder Staubkorn die filigranen Fäden beeinträchtigt. Das macht den Conflictfood-Safran so besonders!
Die fast kargen Felder des Kollektivs haben uns auf den ersten Blick überrascht, waren wir Bilder von blühenden Safranfelder gewohnt. Aber das sind beliebte Motive mancher Firmen und der Werbeindustrie; Güte und Gewürz-Eigenschaften dieser Anbieter sind oftmals niedrig.
Das markante, leuchtende Rot, der süsslich-herbe, leicht erdige Duft zeichnen diese Premiumklasse aus. Nur die Spitzen der Narben werden verwendet. Der Safran wird nach alten Methoden und Traditionen ohne Einsatz von Pestiziden angebaut. Von der Ernte bis hin zur Trocknung der feinen Safranfäden durften Gernot und Salem alle Schritte persönlich begleiten und dokumentieren.
Vision, Hoffnung, Ängste
Auf die Frage, welche Wünsche die Frauen für ihre Zukunft haben, antworten sie: sie haben ganz konkrete Ziele. Sie wollen den Gewinn aus den Safranerlösen investieren, neue Geräte kaufen, mehr Land bestellen, um mehr Safran zu kultivieren.
Aber mit grosser Sorge schauen sie auch auf die Entwicklungen im Land. Die wachsende Unsicherheit und der Machtwechsel durch die Taliban hat das bisher Erreichte stark beeinflusst. Im ersten Jahr der Machtübernahme durften die Frauen ihre Felder nicht betreten und wenn nur mit männlicher Begleitung aus der Familie. Das hat sich geändert, doch die Ungewissheit ist immer noch gross.
Conflictfood ist sich seiner langjährigen Verantwortung bewusst und schafft es, den Menschen zumindest eine wirtschaftliche Perspektive zu bieten. Ziel ist, für die Frauen vor Ort eine sichere Existenz und ein gutes Einkommen zu ermöglichen. Damit sie ein gutes Leben führen können. Im Länderranking der Weltbank belegt Afghanistan beim grenzüberschreitenden Handel den letzten Platz. Conflictfood eröffnet den Bauern neue Absatzmärkte – „Made in Afghanistan“. Durch den Kauf von Safran kannst Du das Frauenkollektiv aktiv unterstützen.
Und ein nächster grosser Meilenstein steht an: Trotz der politischen und wirtschaftlichen Umstände unterstützt Conflictfood, gemeinsam mit der britischen NGO Hand in Hand International, die Frauen dabei, ein internationales Bio-Zertifikat für den Safran zu erhalten. Dieses Vorhaben erreicht 1‘500 Familien in der Region. Ein starker Impact und das heisst: bald wird es Bio-Safran geben, das erste biozertifizierte Lebensmittel des Landes